Fachanwälte Dallhammer und Kellermann in Bensheim

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Aktuelles

21.03.2014 Sozialversicherungspflichtiger GmbH-Geschäftsführer

Ein GmbH-Geschäftsführer, der über eine Minderheitsbeteiligung an der Gesellschaft verfügt, ist als abhängiger Beschäftigter sozialversicherungspflichtig, wenn er zwar für die Firma wesentliche Fachkenntnisse und Kundenkontakte besitzt, sich jedoch Arbeitnehmerrechte wie ein leitender Angestellter sichert. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens entschieden, dass der Geschäftsführer im zugrunde liegenden Falle als abhängig Beschäftigter versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sei. Der Geschäftsführer übe eine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs 1 SGB IV aus. Er habe allein auf Grund seiner Gesellschafterrechte nicht die Möglichkeit, seine Weisungsgebundenheit aufzuheben. Die Ausgestaltung seines Anstellungsvertrages mit Gehaltsvereinbarung, Urlaubsanspruch, Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und anderen Nebenleistungen spreche für eine typische Beschäftigung als leitender Angestellter. Dies gehe so weit, dass die Vertragsparteien Ansprüche des Geschäftsführers aus einem vorangegangenen Arbeitsvertrag fortschrieben.

Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 21.03.2014, Aktenzeichen S 34 R 580/13

10.03.2014 Hartz IV: Urlaubsabgeltung ist anzurechnen

Die Urlaubsabgeltung muss nicht zu Erholungszwecken verwendet werden. Anspruch auf ALG II (Arbeitslosengeld II) hat nur, wer auch hilfebedürftig ist, also seinen Lebensunterhalt nicht mit eigenen Mitteln bestreiten kann. Vorhandenes Vermögen muss daher zuerst verwertet, eigenes Einkommen angerechnet werden. Hiervon gibt es aber einige Ausnahmen – so werden etwa zweckgebundene Leistungen wie BAföG oder Blindengeld nicht als Einkommen berücksichtigt. Das SG (Sozialgericht) Duisburg hielt die Anrechnung der Urlaubsabgeltung auf die ALG-II-Leistung für rechtmäßig. Nach § 2 I SGB II muss der Leistungsempfänger alles tun, um seine Hilfebedürftigkeit zu beenden bzw. zu verringern. Dazu gehört auch, das eigene Einkommen zum Bestreiten des Lebensunterhalts zu nutzen. Somit handelt es sich bei der Urlaubsabgeltung lediglich um eine Geldforderung, über die der Exmitarbeiter frei verfügen kann.

Sozialgericht Duisburg, Urteil vom 10.03.2014, Aktenzeichen S 38 AS 4626/13

13.12.2013 Rückweg aus fremder Kantine ist nicht versichert

Wer eine fremde Firmenkantine nutzt, tut dies auf eigenes Risiko. Eine Lehrerin, die auf dem Rückweg zur Schule im Treppenhaus eines Nebengebäudes stürzte, blieb damit ohne Versicherungsschutz. Die zuständige Berufsgenossenschaft erkannte diese nicht als Arbeitsunfall an. Sie argumentierte, dass die Wege zur Aufnahme des Mittagstisches zwar grundsätzlich unter Versicherungsschutz stünden, dieser jedoch mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem sich die Kantine befindet, ende. Gerade die Außentür eines Gebäudes bietet bei der weit verbreiteten Bauweise für Gaststätten und Kantinen ein eindeutiges sowie objektives Abgrenzungskriterium. Unerheblich ist, wer der Inhaber des Gebäudes ist bzw. ob es zu öffentlich- rechtlichen Zwecken betrieben oder privat genutzt wird. Ob die Lehrerin das Gebäude berechtigt betreten hat, ist nicht von Bedeutung.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2013, Aktenzeichen L 8 U 1506/13

14.11.2013 Hundeattacke am Probearbeitstag ist Arbeitsunfall

Ein angehender Briefträger wurde er von einem Hund angesprungen und stürzte. Er zog sich dabei einen komplizierten Schienbeinkopfbruch zu. Nach diesem hat er Anspruch auf Anerkennung als Arbeitsunfall. Denn es bedarf nicht zwingend eines Arbeitsvertrages, um am Probearbeitstag unfallversichert zu sein. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, da der Mann zum Unfallzeitpunkt weder als Beschäftigter noch als sogenannter "Wie-Beschäftigter" versichert gewesen sei. Sie verweist auf dessen eigenwirtschaftliche Motivation, um eine Festanstellung zu erreichen. Das Gericht hat den Sturz jedoch als Arbeitsunfall gewertet. Der Verletzte war insbesondere am Unfalltag als Beschäftigter versichert. Eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 S 1 SGB IV lag dabei ungeachtet des Umstandes vor, dass der Abschluss eines Arbeitsvertrages lediglich in Aussicht gestellt worden war. Dem Mann war jedenfalls ein Dienstfahrrad und Dienstkleidung übergeben worden, sodass seine Unternehmenszugehörigkeit nach Außen dokumentiert war. In der Übergabe von Post zur Verteilung innerhalb eines festgelegten Zeitraums in einem bestimmten Gebiet kommt zudem eine Weisungsgebundenheit in Bezug auf Zeitpunkt, Ort und Dauer zum Ausdruck, der sich der Zusteller vereinbarungsgemäß auch unterworfen hat. Die Unfall bringende Verrichtung war nicht deshalb dem unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich des Mannes zuzuordnen, wie die Berufsgenossenschaft meint. Diese stand im Zusammenhang mit der Verhandlung über den Abschluss eines Arbeitsvertrages gestanden hat. Jedenfalls am Unfalltag ging es auch nicht mehr allein darum, die persönliche und fachliche Eignung festzustellen.

Bundessozialgericht, Urteil vom 14.11.2013, Aktenzeichen B 2 U 15/12 R

04.11.2013 Übernahme von Stromschulden bei Verschwendung?

Jobcenter sind nur unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, Empfängern von Leistungen nach dem SGB II im Falle einer Stromsperre durch Gewährung eines Darlehens Hilfe zu gewähren. Jedenfalls brauchen sie keine rückständigen Stromkosten bei unverantwortlichem Verbrauchsverhalten übernehmen. Im zugrunde liegenden Fall war einer Familie aus dem Rhein-Lahn Kreis zum wiederholten Mal vom Stromversorger wegen erheblicher Zahlungsrückstände der Strom gesperrt worden. Während ihnen das Jobcenter in der Vergangenheit Darlehen gewährt hatte, damit die Stromsperren aufgehoben werden konnten, war es hierzu nunmehr nicht mehr bereit, weil die Stromschulden durch einen unverantwortlich hohen Stromverbrauch verursacht worden seien.

Sozialgericht Koblenz, Urteil vom 04.11.2013, Aktenzeichen S 14 AS 724/13 ER

22.10.2013 Jobcenter muss Englisch-Nachhilfe zahlen

Schüler aus Hartz IV-Familien können eine dauerhafte Übernahme der Kosten für Nachhilfeunterricht verlangen. Zu einem menschenwürdigen Existenzminimum gehört, dass die staatliche Grundsicherung den Bedarf eines Schulkindes auf Lernförderung hinreichend abdeckt. Der zusätzliche Unterricht soll dem Kläger die Bildung ermöglichen, die er für seinen künftigen Berufsweg benötigt. Wesentliches Lernziel ist nicht alleine die Versetzung in die nächste Klasse, sondern auch das Erreichen eines ausreichenden Lernniveaus. Mit dem Nachhilfeunterricht wird das Angebot der Schule sinnvoll ergänzt.

Sozialgericht Braunschweig, Urteil vom 22.10.2013, Aktenzeichen S 17 AS 4125/12

01.10.2013 Trinkunfall während einer Kopierpause

Ein Arbeitnehmer nutzte eine einige Sekunden dauernde Pause zur Herstellung der Betriebsbereitschaft eines Kopiergerätes zwischen zwei Kopiervorgängen dazu, sich eine Flasche alkoholfreien Bieres aus einem nahegelegenen Kühlschrank zu holen. Als diese nach dem Öffnen überschäumte und der Arbeitnehmer das heraussprudelnde Bier abtrinken wollte, brach er sich mehrere Zahnspitzen im Oberkiefer ab. Wie das Gericht nun klarstellte, stellt das Abbrechen der Zähne aufgrund eines solchen Abtrinkens einer übersprudelnden Flasche auch dann keinen Arbeitsunfall dar, wenn dies dem Arbeitnehmer während des Wartens auf die Betriebsbereitschaft des Bürokopierers passierte. Die Aufnahme von Nahrung auch während einer Arbeitspause am Kopiergerät ist grundsätzlich nicht unfallversichert. Die Nahrungsaufnahme ist ein menschliches Grundbedürfnis und tritt regelmäßig hinter betriebliche Belange zurück. Es handelte sich um eine sogenannte eigenwirtschaftliche Verrichtung, mit der der Arbeitnehmer seine versicherte Tätigkeit unterbrochen hatte. Hiervon liegt auch keine Ausnahme vor, weil die Kopiertätigkeit nicht geeignet war, abweichend vom normalen Trink- und Essverhalten des Klägers ein besonderes Durst- oder Hungergefühl hervorzurufen.

Sozialgericht Dresden, Gerichtsbescheid vom 01.10.2013, Aktenzeichen S 5 U 113/13,

27.09.2013 BAföG statt Unterhalt

Studierende können von ihren Eltern keine Unterhaltszahlungen verlangen, wenn sie ihren Unterhaltsbedarf durch BAföG-Leistungen decken können – und zwar obwohl diese zum Teil als Darlehen gewährt werden. Im zugrunde liegenden Falle zahlte der Vater einer 21 Jahre alten Studentin dieser monatlich etwa 210 Euro Kindesunterhalt. Unter Hinweis auf ihr Studium verlangt die junge Frau eine Erhöhung der monatlichen Unterhaltsleistungen auf rund 380 Euro. Einen Antrag auf BAföG-Leistungen, die regelmäßig zu 50% als Zuschuss und zu 50% als zinsloses Darlehen gewährt werden, hat die Studentin bisher nicht gestellt, unter anderem um sich nicht schon zu Beginn ihres Berufslebens zu verschulden. Das OLG Hamm bestätigte jetzt die für den Vater der Studentin günstige Entscheidung der Vorinstanz. Denn die Studentin habe gar keinen erhöhten Unterhaltsbedarf. BAföG-Leistungen seien nämlich unterhaltsrechtliches Einkommen. Im Unterhaltsrecht hat der Verpflichtete das Recht unter Umständen, ein Darlehen aufzunehmen, um seine Leistungsfähigkeit zu erhalten. Entsprechendes gelte aber auch für den Unterhaltsberechtigten, der – im Rahmen des Zumutbaren – eine Möglichkeit zur Kreditaufnahme ausnutzen müsse, um nicht selbst unterhaltsbedürftig zu werden. Insofern sei es der Studentin zuzumuten, BAföG-Leistungen in Anspruch zu nehmen. Diese würden zur Hälfte als Zuschuss und zur anderen Hälfte als unverzinsliches Darlehen gewährt. Das Darlehen sei erst fünf Jahre nach dem Ende der Förderung in monatlichen Raten – bis zu einem Höchstbetrag von 10.000 € – zu tilgen, wobei bei guten Leistungen ein Teil des Darlehens erlassen werde. Wegen dieser günstigen Darlehensbedingungen sei es einem Studierenden in der Regel zuzumuten, BAföG in Anspruch zu nehmen. Allein aus der Motivation heraus, nicht bereits zu Beginn des Berufslebens mit einer Darlehensverbindlichkeit aus BAföG-Leistungen belastet zu sein, sei die Inanspruchnahme von BAföG nicht unzumutbar.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 27.09.2013, Aktenzeichen 2 WF 161/13

12.09.2013 Aufwendungsersatz für selbstbeschafften Kitaplatz

Eltern können unter bestimmten Voraussetzungen von ihrer Stadt die Aufwendungen für die Unterbringung in einer privaten Kindertagesstätte ersetzt bekommen, wenn diese den Rechtsanspruch auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes nicht rechtzeitig erfüllt hat. Im Streitfall ging es um den Ersatz der Aufwendungen, die durch die Unterbringung der damals zweijährigen Tochter in der Kinderkrippe einer privaten Elterninitiative von April bis Oktober 2011 entstanden sind. Die Eltern ließen die Tochter dort betreuen, weil die beklagte Stadt während dieser Zeit keinen Krippenplatz zur Verfügung stellen konnte. Das hier anwendbare Kindertagesstättengesetz Rheinland-Pfalz sieht vor, dass Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten haben. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die in dem genannten Zeitraum entstandenen Aufwendungen für die private Kinderkrippe in Höhe von ca. 2 200 Euro zu erstatten. Dieses Urteil hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis bestätigt. Die Beklagte habe den nach Landesrecht bestehenden und von der Mutter rechtzeitig geltend gemachten Anspruch auf einen Kindergartenplatz nicht erfüllt. Deshalb müsse sie die Kosten des selbst beschafften Ersatzplatzes in einer privaten Kinderkrippe übernehmen. Im Fall der Nichterfüllung des landesrechtlichen Anspruchs auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für einen selbstbeschafften Platz. Soweit das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, das Bundesrecht sehe einen entsprechenden Anspruch vor und das Landesrecht folge dem, ist dies nicht zu beanstanden. Der bundesrechtliche Anspruch ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 36a Abs. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch. Dieser verleiht einen Anspruch auf Aufwendungsersatz, wenn bestimmte Ansprüche auf Jugendhilfeleistungen nicht erfüllt werden. Der Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Bedarf rechtzeitig in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorgelegen haben und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.

Bundesverwaltungsgerich, Urteil vom 12.09.2013, Aktenzeichen 5 C 35.12

04.09.2013 Anspruch auf Eltergeld inhaftierter Mütter

Frauen, die ihr Kind im Gefängnis aufziehen, haben keinen Anspruch auf Elterngeld, da sie dort keinen eigenen Haushalt im Sinne des Elterngeldgesetzes führen. Sie seien im Gefängnis voll versorgt; die Versorgung des Kindes/der Kinder wird vom Jugendamt bezahlt. Ein Haushalt setzt aber eine "wohnungshafte Wirtschaftsführung" voraus. Die Anwältin der inhaftierten Mutter im zugrunde liegenden Falle hatte argumentiert, die Frau habe sich wie in einer "normalen" Mutter-Kind-Einrichtung um das Kind kümmern können. Dem folgten die Richter jedoch nicht.

Bundessozialgericht, Urteil vom 04.09.2013, Aktenzeichen B 10 EG 4/12 R

22.08.2013 Verlangen nach Drogentest teilweise erlaubt

Die Agentur für Arbeit darf bei einem Bezieher von ALG II-Leistungen einen Drogentest zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit anordnen, wenn genügende konkrete Hinweise auf eine Suchtmittelabhängigkeit bestehen. im konkreten Falle hatte eine jahrelang arbeitslose Empfängerin von ALG II-Leistungen geklagt, nachdem das Jobcenter Heidelberg einen solchen Test zur Beurteilung ihrer Arbeitsfähigkeit und zur Klärung einer möglichen Sucht veranlasst hatte. Die Frau sah darin einen diskriminierenden und entwürdigenden Verstoß gegen ihr Persönlichkeitsrecht und forderte eine Entschädigung von 1000 Euro. Ein Anspruch auf Geldentschädigung wurde wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgelehnt. Zwar wurde durch die Durchführung einer Blut- und Urinuntersuchung rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingegriffen. Jedoch bewertet die Kammer den Eingriff unter Berücksichtigung der Gesamtumstände als nicht derart schwerwiegend, dass er nur durch eine Geldentschädigung ausgeglichen werden kann. Denn die für die Klägerin nachteiligen Auswirkungen des Eingriffs halten sich in verhältnismäßig engen Grenzen. Insoweit fällt wesentlich ins Gewicht, dass die Information über den gegenüber der Klägerin aufgekommenen und von ihr als besonders diskriminierend und herabwürdigend empfundenen Verdacht der Suchtmitteleinnahme nicht an die Öffentlichkeit gelangt ist.

Landgericht Heidelberg, Urteil vom 22.8.2013, Aktenzeichen 3 O 403/11

19.06.2013 EU-Bürger haben Anspruch auf ALG II-Leistungen

Der Ausschluss Arbeit suchender EU-Bürgern von ALG II-Leistungen ist als europarechtswidrig anzusehen und wurde deshalb einem italienischen Staatsbürger zugesprochen. Im zugrunde liegenden Falle hatte ein italienischer Staatsbürger vor Jahren in Deutschland gearbeitet, war 2003 in seine Heimat zurückgekehrt und hatte dort bei seiner Schwester gelebt. Anfang 2011 kehrte er nach Deutschland zurück und beantragte Hartz-IV. Zunächst erhielt er diese Leistung. Als jedoch umfangreiche Krankenbehandlungen anfielen, wurde ihm die weitere Leistung versagt unter Berufung auf den Leistungsausschluss des § 7 SGB II. Anspruch auf ALG II-Leistungen haben im Wesentlichen alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die sich berechtigt in Deutschland aufhalten. Die Staatsangehörigkeit spielt dabei keine Rolle. Um zu vermeiden, dass ausländische Staatsbürger nach Deutschland einreisen, nur um hier Leistungen als Arbeitssuchende nach dem SGB II zu erhalten, enthält § 7 SGB II für diese Fälle einen Anspruchsausschluss. Die Richter befanden nun, dass dieser Ausschluss nicht mit dem Recht auf Freizügigkeit und Gleichbehandlung aller Bürger der Europäischen Union in allen Staaten der Union in Einklang zu bringen ist.

Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.06.2013, Aktenzeichen B 14 AS 51/13

29.05.2013 Einkommensanrechnung in Hartz-IV-Familie

Die Anrechnung des Einkommens von Lebensgefährten verletzt nicht die Rechte von Kindern in Hartz-IV-Familien. Das geht aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor. Die seinerzeit minderjährige Klägerin lebte mit ihrer Mutter und deren neuem Partner zusammen. Dieser sorgte für Wohnung und Essen. Wegen einer Gesetzesänderung wurde ab 2006 bei der Berechnung des Bedarfs das Einkommen des Partners mit einbezogen. Deshalb wurden der Klägerin die Leistungen gestrichen – nach Ansicht der Behörde war sie nicht mehr bedürftig. Die Karlsruher Richter wiesen die Verfassungsbeschwerde der jungen Frau zurück. Denn das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum sei nicht verletzt. Die Klägerin habe insbesondere nicht dargelegt, "inwieweit eine Regelleistung trotz der Zahlung von Kindergeld und der Gewährung von "Kost und Logis" (...) noch erforderlich gewesen wäre", hieß es zur Begründung.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29.05.2013, Aktenzeichen 1 BvR 1083/09

23.05.2013 Mietkosten bei Sanktion gegen SGB II-Bezieher

Werden einem SGB-II-Empfänger als Sanktion die Leistungen für Unterkunfts- und Heizaufwendungen entzogen(etwa auf Basis von § 31 Abs 5 Satz 2 SGB II aF, nach der das Arbeitslosengeld II für unter 25 Jährige bei wiederholten Pflichtverletzungen (z.B. Weigerung der Aufnahme oder Fortführung einer zumutbaren Arbeit, Ausbildung oder Maßnahme) um 100 € gemindert wird), so erhöht dies den Bedarf der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden übrigen Hilfeempfänger. In Höhe des weggefallenen Mietkostenanteils müssen den Mitbewohnern weitere Leistungen zur Verfügung gestellt werden - auch wenn die Sanktion dadurch teilweise ins Leere läuft. Die Vorschrift sieht nämlich keine nur anteilige Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung bei der Nutzung einer Wohnung durch mehrere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft vor. Zwar ist für den Regelfall davon auszugehen, dass die KdU unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen sind. Dies gilt jedoch, trotz gemeinsamer Nutzung einer Wohnung, ausnahmsweise nicht, wenn bedarfsbezogene Gründe eine Abweichung vom Kopfteilprinzip erforderlich machen.

Bundessozialgericht, Urteil vom 23.05.2013, Aktenzeichen B 4 AS 67/12 R

17.05.2013 Holen der Geschäftspost ist Arbeitsunfall

Stürzt ein Unternehmer im Treppenhaus seines Geschäftshauses, wenn er die Geschäftspost aus dem Briefkasten holt, ist dies als Arbeitsunfall anzuerkennen. Dies gilt auch dann, wenn er das Gebäude zudem privat als Wohnhaus nutzt. Im zugrunde liegenden Falle war der Betroffene Inhaber einer Kfz-Werkstatt. Daneben handelte er noch mit Kfz-Zubehör und leitete ein Taxi-/Mietwagenunternehmen. Als Unternehmer war er bei der gegnerischen Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG) unfallversichert. Die Privatwohnung des Klägers und die Werkstatt befanden sich im selben Gebäude, Wohnräume und Büro lagen im ersten Stock. Im Juli 2011 holte der Betroffene nach Ende seiner Tätigkeit in der Werkstatt die Geschäftspost aus dem Briefkasten im Erdgeschoss, die er in sein Büro bringen wollte. Auf dem Rückweg stürzte er auf der (einzigen) Treppe, die vom Erd- in das Obergeschoß führt. Dabei brach er sich sein rechtes Schienbein und wurde anschließend mehrfach operiert. Die BG lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Sie war der Ansicht, der Verunfallte habe seine Arbeit in der Werkstätte bereits beendet, als er die Treppe hochgestiegen sei. Dass er vor Feierabend noch Post ins Büro habe bringen wollen, begründe keinen Versicherungsschutz.

Sozialgericht Heilbronn, Urteil vom 17.05.2013, Aktenzeichen S 3 U 2912/12

08.05.2013 Knieschuss im Home-Office ist kein Arbeitsunfall

Ein Überfall auf einen Beschäftigten mit Büro im eigenen Haus stellt nur dann einen Arbeitsunfall dar, wenn ein Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit besteht. Der inzwischen 51-jährige Kläger arbeitete als Mitarbeiter einer Bausparkasse in einem Home Office im eigenen Wohnhaus in Dresden. Im März 2007 öffnete er auf ein Läuten die Hauseingangstür und wurde von zwei Männern mit einer Pistole bedroht. Im Schlafzimmer schossen ihn die Täter in beide Kniegelenke. Danach verließen sie das Haus, ohne Wertsachen mitzunehmen. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen gab der Kläger an, bei dem Überfall sei es um Streitereien um Fördermittelzusagen von einer Million an einen Verein gegangen. Die Vereinsmitglieder hätten ihm gedroht, »mal zwei Russen vorbeizuschicken, falls das schiefgehen sollte«. Für den Verein war der Kläger privat als Berater tätig. Die beiden Täter wurden im März 2008 rechtskräftig zu Freiheitsstrafen von fünf bzw. vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Berufsgenossenschaft lehnte den Antrag des Klägers auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Der Überfall sei auf private Gründe zurückzuführen. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Dresden abgewiesen. Ein abhängig Beschäftigter steht bei einem vorsätzlichen tätlichen Angriff nur dann unter Versicherungsschutz, wenn der Angriff des Täters aus betriebsbezogenen Motiven erfolgt. Die Motive der Täter waren am ehesten auf die private Tätigkeit des Klägers als Berater für einen Verein zurückzuführen, nicht aber auf seine Tätigkeit für die Bausparkasse. Unerheblich ist dabei, dass der Überfall zufällig zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit als Versicherungsangestellter erfolgte. Ein Zusammenhang des Überfalls mit einer versicherten Tätigkeit sei daher nicht feststellbar.

Sozialgericht Dresden, Gerichtsbescheid vom 8.5.2013, Aktenzeichen S 5 U 293/12

30.04.2013 Aufbau von Vereinszelt nicht unfallversichert

Verrichten Vereinsmitglieder für den Verein Tätigkeiten, die üblicherweise in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt werden, so sind diese Vereinsmitglieder im Regelfall gesetzlich unfallversichert. Das gilt allerdings nicht, wenn das Mitglied im Rahmen seiner Mitgliedspflichten tätig wird. Im zugrunde liegenden Fall gehörte der Vorsitzende eines Heimatvereins auch dem sogenannten Zeltausschuss an, der für den entgeltlichen Verleih des vereinseigenen Zeltes zuständig ist. Beim Aufbau dieses Zeltes für einen anderen Verein stürzte der Mann aus ca. 4 Meter Höhe von der Leiter und verletzte sich tödlich. Die von der Witwe beantragte Anerkennung als Arbeitsunfall lehnte die Berufsgenossenschaft ab. Der Verstorbene sei nicht freiwillig versichert gewesen. Zudem sei er für den Verein in der Weise tätig geworden, wie es von ihm als Zeltwart habe erwartet werden können, so dass er nicht wie ein Beschäftigter tätig geworden sei. Die Richter beider Instanzen gaben der Berufsgenossenschaft Recht. Wird jemand im Rahmen seiner Vereinspflichten tätig, so ist er hierbei nicht gesetzlich unfallversichert. Die Mitgliedspflichten können sich aus der Vereinssatzung oder aufgrund allgemeiner Vereinsübung ergeben und sind nicht notwendig für alle Mitglieder gleich.

Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 30.04.2013, Aktenzeichen L 3 U 231/10

11.04.2013 Abgrenzung von Behinderung und Krankheit

Eine heilbare oder unheilbare Krankheit, die eine physische, geistige oder psychische Einschränkung mit sich bringt, kann einer Behinderung gleichzustellen sein. Die Verkürzung der Arbeitszeit kann als eine Vorkehrungsmaßnahme angesehen werden, die ein Arbeitgeber ergreifen muss, damit Menschen mit Behinderung arbeiten können. Der Gerichtshof weist sodann darauf hin, dass die Richtlinie den Arbeitgeber verpflichtet, geeignete und angemessene Vorkehrungsmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere um Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufs und den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen. Der Gerichtshof stellt fest, dass eine Arbeitszeitverkürzung, selbst wenn sie nicht unter den in der Richtlinie ausdrücklich erwähnten Begriff des "Arbeitsrhythmus" fiele, in Fällen, in denen sie es dem Arbeitnehmer ermöglicht, seine Arbeit weiter auszuüben, als eine geeignete Vorkehrungsmaßnahme angesehen werden kann. Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass die Richtlinie einer nationalen Bestimmung, nach der ein Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag mit einer verkürzten Kündigungsfrist beenden kann, wenn der behinderte Arbeitnehmer innerhalb der letzten zwölf Monate krankheitsbedingt 120 Tage mit Entgeltfortzahlung abwesend war, entgegensteht, wenn diese Fehlzeiten darauf zurückzuführen sind, dass der Arbeitgeber nicht die geeigneten und angemessenen Vorkehrungsmaßnahmen ergriffen hat, damit die behinderte Person arbeiten kann. Schließlich äußert sich der Gerichtshof zu der Frage, ob die nationale Bestimmung über die verkürzte Kündigungsfrist zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderung führen kann. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person wegen einer Behinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person. Eine mittelbare Diskriminierung ist zu bejahen, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer Behinderung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, dies kann gerechtfertigt werden. Der Gerichtshof führt aus, dass die nationale Bestimmung in gleicher Weise auf behinderte und nichtbehinderte Menschen anwendbar ist, die krankheitsbedingt mehr als 120 Tage abwesend sind. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass diese Bestimmung eine unmittelbar auf der Behinderung beruhende Ungleichbehandlung schafft. Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass ein behinderter Arbeitnehmer einem höheren Risiko ausgesetzt ist, dass ihm gegenüber die verkürzte Kündigungsfrist angewandt wird, als ein nicht behinderter Arbeitnehmer, da er ein zusätzliches Risiko trägt, an einer mit seiner Behinderung zusammenhängenden Krankheit zu erkranken. Diese Bestimmung kann demnach behinderte Arbeitnehmer benachteiligen und so zu einer mittelbar auf der Behinderung beruhenden Ungleichbehandlung führen. Der Gerichtshof antwortet, dass die Richtlinie einer solchen nationalen Bestimmung entgegensteht, es sei denn, diese Bestimmung verfolgt ein rechtmäßiges Ziel und geht nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinaus, was zu prüfen Sache des jeweiligen nationalen Gerichts ist.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11.04.2013, Aktenzeichen C-335/11, C-337/11

11.04.2013 Kein Wahlrecht mehr für Grenzgänger

Ein arbeitslos gewordener Grenzgänger kann Arbeitslosenunterstützung nur in seinem Wohnmitgliedstaat beziehen. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer zum Staat seiner letzten Beschäftigung besonders enge Bindungen beibehalten hat. Der EuGH hält an seiner bisherigen Auffassung zur Auslegung der früheren Verordnung nicht mehr fest. Hiernach konnte der Grenzgänger den Mitgliedstaat wählen, in dem er sich der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellen und von dem er eine Leistung bei Arbeitslosigkeit beziehen wollte (Urteil v. 12.06.1986 -C-1/85). Die Bestimmungen der neuen Verordnung sind nicht mehr im Licht der früheren Rechtsprechung auszulegen. Denn es fehlt die ausdrückliche Erwähnung der Möglichkeit, im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung Arbeitslosenunterstützung zu erhalten. Die spiegelt den Willen des Verordnungsgebers wider, die Berücksichtigung der früheren Rechtsprechung des Gerichtshofs zu begrenzen. Folglich gilt die Regel, wonach Arbeitslosenunterstützung durch den Wohnmitgliedstaat gewährt wird, auch für vollarbeitslose Grenzgänger, die zum Staat ihrer letzten Beschäftigung besonders enge Bindungen beibehalten haben. Die Möglichkeit, sich zusätzlich der Arbeitsverwaltung dieses Staates zur Verfügung zu stellen, bezieht sich nicht auf die Gewährung von Arbeitslosenunterstützung durch diesen Staat, sondern nur auf die Inanspruchnahme seiner Wiedereingliederungsleistungen. Diesem Ergebnis steht auch nicht das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit entgegen. Denn der AEU-Vertrag sieht eine Koordinierung und keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Das Fehlen einer Übergangsbestimmung führt der Gerichtshof auf ein Versäumnis während des Rechtsetzungsverfahrens zurück. Die Übergangsbestimmung der neuen Verordnung ist daher auf die Grenzgänger anzuwenden, die wegen der im Mitgliedstaat ihrer letzten Beschäftigung beibehaltenen Bindungen von diesem auf der Grundlage seiner Rechtsvorschriften Arbeitslosenunterstützung erhalten, solange sich der bis dahin vorherrschende Sachverhalt nicht ändert. Der Begriff des „unverändert gebliebenen Sachverhalts“ in diesem Sinne ist anhand der nationalen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit zu beurteilen.

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11.04.2013, Aktenzeichen C-443/11,

04.04.2013 Gestärkte Rechte alleinerziehender Studenten

Das Jobcenter kann Arbeitslosengeld II nicht mit dem Argument verweigern, eine Studentin müsse ihr Kind nach dem 1. Geburtstag in der Kita betreuen lassen und ihr Studium fortsetzen. Im zugrunde liegenden Falle studiert die 32-jährige Antragstellerin in Dresden. Sie ist alleinerziehende Mutter von zwei 6 Jahre bzw. 1 Jahr 7 Monate alten Mädchen. Zur Betreuung ihrer Kinder hat sie sich nach der Geburt ihres zweiten Kindes vom Studium beurlauben lassen. In dieser Zeit entfällt der BAföG-Anspruch. Sie möchte ihre zweite Tochter bis sie zwei Jahre alt wird selbst betreuen. Ihren Antrag auf "Hartz IV"-Leistungen lehnte das Jobcenter für die Zeit nach dem 1. Geburtstag der jüngeren Tochter ab. Die Antragstellerin könne ihr Kind in einer Kita betreuen lassen und ihr Studium fortsetzen. Dann könne sie wieder von BAföG leben. Dem hiergegen erhobenen Eilantrag hat das Sozialgericht Dresden statt gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können Studenten "Hartz IV" beziehen, wenn sie vom Studium beurlaubt sind und in dieser Zeit ihr Studium nicht betreiben. Dies ist bei der Antragstellerin der Fall. Sie besucht derzeit weder Lehrveranstaltungen, noch bereitet sie Prüfungen vor. Ein "Arbeitshinweis" des Jobcenters Dresden, auf dem die Ablehnung der Leistungen beruhte, ist verfassungswidrig. Das Grundgesetz schützt die Entscheidungsfreiheit der Eltern, ob sie ihre Kinder selbst betreuen oder in eine Kita geben. Von Arbeitslosen, die Kinder bis 3 Jahren selbst betreuen, kann nicht verlangt werden, dass sie sich eine Arbeit suchen. Daher dürfen Studenten in einer vergleichbaren Situation nicht schlechter behandelt werden.

Sozialgericht Dresden, Beschluss vom 04.04.2013, Aktenzeichen S 20 AS 1118/13 ER

28.03.2013 Höhe des Regelbedarfs für Ehepaar mit Kleinkind

Die Höhe des Regelbedarfs nach dem SGB II für ein Ehepaar mit einem zweijährigen Kind ist nicht verfassungswidrig zu niedrig bemessen. Im zugrunde liegenden Falle bewilligte der Beklagte den Klägern sowie ihrem gemeinsamen Sohn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1182 €. Dabei legte er der Berechnung einen Regelbedarf für die beiden Erwachsenen in Höhe von je 328 € sowie für das Kind in Höhe von 215 € zu Grunde. Leistungen für Unterkunft und Heizung erbrachte er in tatsächlicher Höhe. Einen Anspruch der Kläger auf höheres Alg II und Sozialgeld hat das Sozialgericht verneint, insbesondere hat es die vom Gesetzgeber zum 01.01.2011 neu bestimmte Höhe der Regelbedarfe für verfassungsgemäß gehalten. Auch in der Revisionsinstanz hatten die Kläger keinen Erfolg. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts konnte sich in dem Verfahren B 4 AS 12/12 R am 28.03.2013 insbesondere nicht davon überzeugen, dass der Gesetzgeber die Höhe der Regelbedarfe der Kläger zum 01.01.2011 unter Verstoß gegen Art 1 Grundgesetz (Menschenwürde) in Verbindung mit Art 20 Grundgesetz (Sozialstaatsprinzip) zu niedrig bemessen hat. Dies gilt sowohl für den Regelbedarf eines Alleinstehenden, von dem der Regelbedarf von zwei Erwachsenen, die zusammenleben, abgeleitet ist, als auch dem von zwei Erwachsenen, in deren Haushalt ein zweijähriges Kind lebt. Ebenso wenig ist der für Kinder bis zur Vollendung des 2. Lebensjahres gesetzlich vorgesehene Bedarf in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Sowohl die Methode (Bestimmung eines Verteilungsschlüssels für die Zuordnung der Bedarfe zu einzelnen Personen innerhalb der Familie) zur Bestimmung des kindlichen Bedarfs, als auch die Aufspaltung der Grundsicherungsleistungen in Regelbedarf sowie Bildungs- und Teilhabebedarfe führt nicht zu einer Verletzung von Verfassungsrecht. Regelbedarf und Bedarfe für Bildung und Teilhabe zusammengenommen decken den grundsicherungsrelevanten Bedarf von Kindern und Jugendlichen. Damit reicht es für die Existenzsicherung aus, wenn die Inanspruchnahme entsprechender Angebote durch die Teilhabeleistungen grundsätzlich sichergestellt werden kann. Unschädlich ist auch, dass der Gesetzgeber das Existenzminimum im Bildungs- und Teilhabebereich durch Sach- oder Dienstleistungen (vor allem Gutscheine) und nicht durch Geldleistungen sichert, denn die Form der Leistungserbringung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich ihm überlassen. Ebenso wenig ist die Höhe der Teilhabeleistungen von 10 € monatlich für Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung sowie die Teilnahme an Freizeiten nach Auffassung des 4. Senats verfassungsrechtlich zu beanstanden.

Bundessozialgericht, Urteil vom 28.03.2013, Aktenzeichen B 4 AS 12/12 R

28.03.2013 Angaben zu Einkommens- & Vermögensverhältnissen

In seinem Urteil hat der Senat entschieden, dass die Auskunft gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich sein muss. Es ist eine Güterabwägung zwischen dem Auskunftsinteresse des Leistungsträgers und den schutzwürdigen Persönlichkeitsinteressen des Auskunfsverpflichteten vorzunehmen. Eine Auskunftspflicht ist danach nicht gegeben, wenn feststeht, dass die Auskunft den Leistungsanspruch nicht (mehr) beeinflussen kann, weil er aus anderen, insbesondere rechtlichen Gründen nicht besteht. Das Auskunftsverlangen ist auch dann rechtswidrig, wenn feststeht, dass der Unterhaltsanspruch aus anderen Gründen als der mangelnden Leistungsfähigkeit des Auskunftspflichtigen nicht gegeben ist. Der Senat meint ferner, dass es für die Rechtmäßigkeit des Auskunftsverlangens nicht erforderlich ist, dass alle für die Beurteilung des Leistungsanspruchs maßgebenden tatsächlichen Fragen geklärt sind. Scheidet die Unterhaltspflicht nach sorgfältiger Prüfung nicht ganz offensichtlich aus, sondern verbleiben Zweifel hinsichtlich des Bestehens, so bleibt die Verpflichtung zur Auskunftserteilung bestehen. Welche Ermittlungen die Sozialgerichte zur Prüfung der Frage, ob eine Unterhaltspflicht besteht, anzustellen haben, ist stets im Einzelfall zu entscheiden.

Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 28.03.2013, Aktenzeichen L 7 AS 745/11

13.03.2013 Jobcenter muss nicht für Mietrückstände aufkommen

Haben Hilfebedürftige die ihnen für das Begleichen der Miete gewährten Zahlungen wiederholt zweckwidrig verwendet, muss das Jobcenter die aufgelaufenen Mietschulden nicht übernehmen. Im zugrunde liegenden Falle schuldete die Antrag stellende Familie ihrem Vermieter über 3.000,- Euro rückständige Miete. Die sechsköpfige Familie hatte in der Vergangenheit immer wieder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Hartz IV) bezogen. Wegen sich ständig ändernder Verhältnisse mussten die Leistungen häufig neu berechnet oder ganz eingestellt werden. Indes verschlechterte sich die finanzielle Lage der Familie immer mehr. Sie kam nicht nur mit den Mietzahlungen wiederholt in Verzug und schuldet allein dem Jobcenter u. a. wegen gewährter Darlehen zur Übernahme von Mietrückständen mittlerweile über 20.000,- Euro. Als die Eltern sich dann auch noch trennten, wandte sich die Ehefrau wieder ans Jobcenter. Dieses gewährte zwar Arbeitslosengeld II, die aufgelaufenen Mietschulden erneut zu übernehmen, war es jedoch nicht bereit. Der beim Sozialgericht in Freiburg gestellte Eilantrag blieb ohne Erfolg. Der Ausgleich der Mietschulden habe auch in der Vergangenheit nicht zu einer Änderung des Zahlungsverhaltens der Antragsteller geführt, hieß es in der Begründung des den Eilantrag ablehnenden Beschlusses. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass eine neuerliche Darlehensgewährung zu einer anhaltenden Sicherung der Unterkunft führen werde. Mit ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde unterlag die Familie nun vor dem Landessozialgericht in Stuttgart auch in zweiter Instanz. Der Mietrückstand sei durch sozialwidriges Verhalten der Antragsteller herbeigeführt worden, befanden auch die Stuttgarter Richter. Eine erneute Hilfegewährung durch das Jobcenter sei deshalb nicht angezeigt. Die Familie habe nicht einmal einen Dauerauftrag zur regelmäßigen Zahlung der Miete eingerichtet. Vielmehr habe die Ehefrau Geld offenbar immer nur in der Höhe überwiesen, wie sie es meinte, entbehren zu können. Dieses Verhalten lasse nur den Schluss zu, dass die Antragsteller die Miete bewusst nicht gezahlt und darauf vertraut hätten, das Jobcenter werde die auflaufenden Rückstände schon übernehmen.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.03.2013, Aktenzeichen L 2 AS 842/13 ER-B

12.03.2013 Elterngeld als Einkommen

Die Berücksichtigung von Elterngeld seit dem 01.01.2011 als ein die Leistung minderndes Einkommen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende ("Hartz IV") ist rechtmäßig und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im konkreten Falle wandten die Kläger sich mit ihrer Klage insbesondere gegen die Berücksichtigung des Elterngeldes als Einkommen, da damit der Sinn und Zweck dieser Leistung unterlaufen werde und es zu einer verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung von Beziehern von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende komme. Gefordert wurden monatlich um 300,00 € höhere Leistungen. Dem sind das Sozialgericht Koblenz und auch das Landessozialgericht nicht gefolgt. Das Elterngeld dürfe, wie auch das Kindergeld, abzüglich einer Versicherungspauschale, als Einkommen berücksichtigt werden. Dies entspreche dem ab dem 01.01.2011 geltenden Recht. Die Gesetzesbegründung habe die Anrechnung des Elterngeldes damit gerechtfertigt, dass die Bedarfe sowohl des Kindes als auch des betreuenden Elternteiles im System der Grundsicherung durch die Regelleistung und die Zusatzleistungen gedeckt seien und dem Elternteil keine Erwerbstätigkeit zugemutet werde. Der Gesetzgeber habe mit dem Elterngeld einen Anreiz schaffen wollen, eine Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes zu unterbrechen. Dies sei Eltern, die Grundsicherungsleistungen bezögen, nicht möglich, so dass ihnen die Leistung auch nicht teilweise anrechnungsfrei belassen werden sollte.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.03.2013, Aktenzeichen L 6 AS 623/11

07.03.2013 Umgebautes Kraftfahrzeug ist keine Unterkunft

Ein mit einer Schlafstelle eingerichteter und im Übrigen als Stauraum genutzter VW-Bus mit Anhänger stellt keine Unterkunft dar, für deren Kosten das Jobcenter Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") leisten muss. Der Antragsteller hat keinen festen Wohnsitz. Er ist Eigentümer und Halter eines VW-Busses nebst Anhänger, in dem er eine Matratze untergebracht hat, auf der er schläft. Bus und Anhänger dienen auch zur Unterbringung seiner sonstigen Habe. Einen privaten Abstellplatz besitzt der Antragsteller nicht, das Fahrzeug wird nachts im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt. Der Antragsteller begehrte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für verschiedene Ersatzteile für das Fahrzeug, die Kraftfahrzeugsteuer und eine Pauschale für die Heizung mittels Heizstrahler. Während das Sozialgericht Mainz das Jobcenter verpflichtete, zumindest die Kosten für die Kraftfahrzeugsteuer und einen neuen Reifen zu tragen, hob das Landessozialgericht den Beschluss auf die Beschwerde hin auf und wies den Antrag ab. Anders als bei einem Wohnmobil, das in einer Entscheidung des Bundessozialgerichts als Unterkunft anerkannt worden war, stellt der umgebaute PKW keine Unterkunft dar, weil eine Privatsphäre darin nicht gewährleistet ist.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.03.2013, Aktenzeichen L 3 AS 69/13 B ER

05.02.2013 Krankenkasse zahlt Fettabsaugung

Ist eine stationäre Fettabsaugung medizinisch notwendig, kann sich die Krankenkasse nicht darauf berufen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss diese Behandlungsmethode nicht in Richtlinien empfohlen hat. Im zugrunde liegenden Falle litt eine 29-jährige Frau an Armen, Beinen und Gesäß an einer schmerzhaften Fettgewebsvermehrung, einem sogenannten Lipödem. Sie beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für eine Fettabsaugung (Liposuktion). Die Krankenkasse verwies darauf, dass die konservativen Therapiemöglichkeiten wie z.B. Gewichtsreduktion und Lymphdrainagen noch nicht ausgeschöpft seien. Die Frau war hingegen der Ansicht, dass die bei ihr vorliegende Form des Lipödems II. Grades nicht durch Gewichtsreduktion verringert werden könne. Ferner würden Lymphdrainage wie auch Kompressionsstrümpfe lediglich eine temporäre Linderung bewirken. Das Hessische Landessozialgericht verurteilte die Krankenkasse dazu, die Kosten der stationären Liposuktion zu tragen. Die Klägerin habe eine deutlich bauchige Oberarmsilhouette sowie einen Oberschenkelumfang von 80 cm. Bei der erheblichen Fettmenge sei eine stationäre Behandlung notwendig. Dies ergebe sich aus den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie zur Liposuktion, die für die Abgrenzung zwischen ambulanter und stationärer Behandlungsbedürftigkeit heranzuziehen seien. Danach könne im ambulanten Bereich maximal 2 Liter reines Fettgewebe abgesaugt werden. Bei der Klägerin seien hingegen 3 bis 4 Liter Fettmasse pro Behandlung zu entfernen. Es sei unbeachtlich, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Liposuktion nicht positiv bewertet habe. Denn dies sei nur für ambulante Behandlungen erforderlich, da insoweit hinsichtlich neuer Behandlungsmethoden ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gelte. Für den stationären Bereich seien solche Behandlungsmethoden auf Kosten der Krankenkassen hingegen nur dann ausgeschlossen, wenn eine negative Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliege. Dies sei hinsichtlich der Liposuktion nicht der Fall. Auch habe die Klägerin die konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft. Dass eine Gewichtsreduktion die lipödem-typischen Fettansammlungen beeinflussen könne, sei wissenschaftlich nicht gesichert.

Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 05.02.2013, Aktenzeichen L 1 KR 391/12

23.01.2013 Weg in Kantine ist versichert, in Raucherecke nicht

Wer sich auf dem Rückweg von der Raucherpause zum Arbeitsplatz verletzt, erleidet keinen Arbeitsunfall und steht damit nicht unter dem Schutz der Unfallversicherung. Das Rauchen ist eine persönliche Angelegenheit und - anders als die Nahrungsaufnahme - ohne sachlichen Bezug zur Berufstätigkeit. Der Weg von und zur Raucherpause ist nicht der unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit zuzurechnen. Denn ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (§ 8 SGB VII). Nicht jede Tätigkeit im Laufe eines Arbeitstages fällt darunter. Es ist schließlich die freie Privatentscheidung eines jeden, ob er zum Rauchen geht oder nicht. Ein Bezug zur beruflichen Tätigkeit besteht nicht. Das Rauchen ist insbesondere nicht mit der Nahrungsaufnahme vergleichbar. Essen und Trinken sind unter anderem notwendig, um die Arbeitskraft aufrechtzuerhalten. Beim Rauchen handelt es sich hingegen um den Konsum eines Genussmittels und damit um eine Handlung aus dem persönlichen, nicht dem beruflichen Lebensbereich. Deshalb ist zwar der Weg zur Kantine versichert, nicht aber der Weg zur Raucherpause.

Sozialgericht Berlin, Urteil vom 23.01.2013, Aktenzeichen S 68 U 577/12

21.01.2013 Keine Rückzahlung ausbezahlter Wohnungsmiete

Wer Hartz-IV-Leistungen erhält, bekommt auch die Kosten für Unterkunft und Heizung. In Einzelfällen dürfen die Jobcenter z.B. Mieten direkt an dem Vermieter ausbezahlen, insbesondere wenn der Mietvertrag erhalten werden soll. Im zugrunde liegenden Falle hhate auf Antrag der Mutter des damals noch minderjährigen Leistungsempfängers das Jobcenter die Kosten für Unterkunft und Heizung dem Vermieter direkt überwiesen. Dies geschah auch noch für einen Monat, in dem der Leistungsempfänger aus der Mietwohnung bereits ausgezogen war. Trotz Fortbestehens des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist forderte das Jobcenter vom Vermieter die ausbezahlte Wohnungsmiete zurück. Mit dem Auszug aus der Wohnung sei nämlich der entsprechende Bedarf entfallen, ein Anspruch auf diese Hartz-IV-Leistung habe daher nicht mehr bestanden. Die Rückforderung erging jedoch zu Unrecht - so das Bayer. Landessozialgericht. Eine Direktüberweisung lasse keine eigenständige Leistungsbeziehung zwischen Jobcenter und Vermieter entstehen. Deshalb fehle es bereits an einem Rechtsanspruch des Jobcenters gegen den Vermieter auf Rückzahlung. Das Jobcenter dürfe gegenüber dem Vermieter weder einen Verwaltungsakt erlassen noch auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückgreifen. Das Bayer. Landessozialgericht hat mit seiner Entscheidung das Risiko einer Überzahlung nach Direktleistung der Kosten für Unterkunft dem Jobcenter zugeordnet. Für Zufälligkeiten, die zum Entfallen eines Leistungsanspruchs führen, sollen nicht die Vermieter einstehen müssen.

Bayerisches Lamdessozialgericht, Urteil vom 21.01.2013, Aktenzeichen L 7 AS 381/12

18.12.2012 Gassi gehen mit Hund und Diensthandy

Nutzt der Arbeitnehmer die Rufbereitschaft für einen Spaziergang mit seinem Hund und kommt es dabei infolge eines dienstlichen Telefonats zu einem Sturz, so stellt dieser Vorfall ein Arbeitsunfall dar. Es liegt im Wesen der Rufbereitschaft, dass ein dienstlicher Anruf stets während einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt. Dies bedeutet aber auch, dass der Arbeitnehmer während seiner Rufbereitschaft einen auf seinem Diensthandy eingehenden Anruf bei jedweder Tätigkeit, die er zu dieser Zeit gerade ausübt, und an jedem Ort, an dem er sich bei Eingang des Anrufs gerade aufhält, annehmen muss. Angesichts dessen erscheint es nicht sachgerecht, für die Frage des Versicherungsschutzes darauf abzustellen, ob der Schaden auch dann noch eingetreten wäre, wenn die zur Zeit des Anrufs ausgeübte private Tätigkeit hinweggedacht wird.

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2012, Aktenzeichen L 15 U 270/12

12.12.2012 Leistungspflicht trotz Unzuständigkeit

Stellt ein behinderter Mensch einen Antrag zur Teilhabe, so hat der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen seine Zuständigkeit zu prüfen. Hält er sich für unzuständig und leitet den Antrag nicht rechtzeitig an die zuständige Stelle weiter, muss er auch bei Unzuständigkeit leisten. Die Darmstädter Richter folgten zwar dem Einwand der Bundesagentur, dass es sich um eine Leistung der medizinischen und nicht der beruflichen Rehabilitation handele. Dennoch verurteilten sie die Bundesagentur zur Zahlung, da sie den Antrag der behinderten Frau nicht rechtzeitig an die Krankenkasse weitergeleitet habe. Die Bundesagentur müsse daher die Kosten für das Hörgerät erstatten, obgleich hierfür eigentlich die Krankenkasse zuständig gewesen wäre.

Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 12.12.2012, Aktenzeichen L 6 AL 160/09

06.12.2012 Berufsunfähigkeitsversicherung

In der Berufsunfähigkeitsversicherung mit abstrakter Verweisung kann ein selbstständiger Gas- und Wasserinstallateur nicht auf eine Tätigkeit als angestellter medizinisch-technischer Laborassistent verwiesen werden, weil letztere Tätigkeit gegenüber der früheren selbstständigen Tätigkeit geringere Anforderungen an die Qualifikation verlangt und mit geringerer gesellschaftlicher Wertschätzung verbunden ist. Diese Faktoren werden nicht durch eine kürzere Arbeitszeit, ein höheres Entgelt und eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung kompensiert.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 6.12.2012, Aktenzeichen 12 U 93/12

20.09.2012 Aufzug für schwerbehindertes Kind

Der Einbau eines Fahrstuhls, der es einem behinderten Kind ermöglichen soll, sich innerhalb des Hauses zu bewegen bzw überhaupt das Haus zu verlassen, ist keine privilegierte Eingliederungshilfemaßnahme. Im zugrunde liegenden Falle beantragten die Eltern des in erheblichem Umfang behinderten (unter anderem Teillähmung beider Beine) Klägers die Übernahme der Kosten für den Einbau eines Fahrstuhls. Wegen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern wurde Eingliederungshilfe vom beklagten Sozialhilfeträger, dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht (LSG) abgelehnt. Der Vater des Klägers besitze nach eigenen Angaben über "genug" Vermögen und mehrere Ländereien. Nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII bleibt vorhandenes Vermögen bei der Hilfe, die dem behinderten noch nicht eingeschulten Menschen die für ihn erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen soll, völlig unberücksichtigt, und Einkommen wird nur bei den Kosten des Lebensunterhalts berücksichtigt. Allerdings findet die Vorschrift über die Privilegierung von Vermögen bei behinderten noch nicht eingeschulten Menschen keine Anwendung. Systematisch mache die Aufzählung der übrigen Fördermaßnahmen in § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII (z. B. heilpädagogische Maßnahmen für noch nicht eingeschulte Kinder, angemessene Schulbildung) deutlich, dass der Gesetzgeber eine Einkommens- und Vermögensprivilegierung nur für spezifische Fördermaßnahmen mit dem behinderten Kind vorgesehen hat. Nicht vorgesehen seien jedoch Umbaumaßnahmen im Haus, die es ermöglichen, das Haus zu verlassen und damit diese Fördermaßnahmen zu erreichen. Die allgemeinen Lebensführung stehe bei wertender Betrachtung im Vordergrund.

Bundessozialgericht, Urteil vom 20.09.2012, Aktenzeichen B 8 SO 15/11 R

22.06.2012 Sperrzeit bei selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit

Hat ein Arbeitsloser sein Beschäftigungsverhältnis gelöst und grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrfrist von 12 Wochen. Diese Sperrzeit gilt auch dann, wenn mit dem Abschluss eines Auflösungsvertrages eine höhere Abfindung verbunden ist.

Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 22.06.2012, Aktenzeichen L 7 AL 186/11

23.05.2012 Münzen mindern Hartz IV -Anspruch

Eine Briefmarken- oder Münzsammlung wird bei der Berechnung von Hartz IV angerechnet - auch wenn sie mit viel Verlust verkauft werden muss, schließlich sei die Münzsammlung des klagenden Mannes ein verwertbarer Vermögensgegenstand. Das Jobcenter hatte dem ehemaligen Bauingenieur Arbeitslosengeld II für ein halbes Jahr nur als Darlehen gewährt und dies mit der Münzsammlung des Mannes im Wert von rund 21.000 EUR begründet. Der Bauingenieur aber verlangte die Hartz IV-Leistungen als Zuschuss und klagte. Er argumentierte, ein Verkauf der Sammlung sei unwirtschaftlich, da er rund 27.000 EUR bezahlt habe. Er führte das Argument ins Feld, daass ein Hartz IV-Empfänger, welcher eine eigene angemessene Wohnung bewohnt, diese nicht verkaufen muss, wenn dies nur mit erheblichem Wertverlust möglich ist. Der vorsitzende Richter hingegen betonte ausdrücklich, dass bei frei handelbaren Vermögensgegenständen keine feste Grenze der Unwirtschaftlichkeit gezogen werden könne. Nach eigenen Angaben besaß der Mann rund 240 Münzen, darunter Taler aus dem 16. Jahrhundert. Etwa 50 Münzen habe er mit einem Verlust von rund 35 % verkaufen müssen.

Bundessozialgericht, Urteil vom 23.05.2012 - Aktenzeichen B 14 AS 100/11 R

27.03.2012 Gefahr auf der Autobahn

Das Überqueren der Autobahn mit dem Ziel, einen den Straßenverkehr gefährdenden Gegenstand zu entfernen, steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte der Kläger die Fahrbahn betreten, um eine Stützradführungshülse zu entfernen, die außerhalb der Fahrbahn neben der Mittelleitplanke lag und bis an den Rand der Überholspur ragte. Dabei wurde er von einem Fahrzeug erfasst und schwer verletzt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII sind unter anderem Personen kraft Gesetzes versichert, die bei einer gemeinen Gefahr Hilfe leisten. Eine gemeine Gefahr besteht, wenn eine ungewöhnliche Gefahrenlage vorliegt, bei der ohne sofortiges Eingreifen eine erhebliche Schädigung von Personen oder bedeuten¬den Sachwerten unmittelbar droht. Eine solche Gefahrensituation war für die Straßenverkehrsteilnehmer aufgrund der Lage des Metallrohres gegeben. Es entspricht einer allgemeinen und gerichtsbekannten Lebenserfahrung, dass Verkehrsteilnehmer ihr Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit aus Unachtsamkeit oder verkehrsbedingt über die Fahrstreifenbegrenzung hinaus auf den Randstreifen steuern und die Führungshülse durch Witterungseinflüsse auf die Fahrbahn geraten kann. Damit waren vorwiegend Motorrad- aber auch Autofahrer in erhöhtem Maße gefährdet. Der Kläger hat bei dieser Gefahrensituation Hilfe geleistet. Die Hilfeleistung beschränkt sich nicht auf den unmittelbaren Vorgang der Beseitigung der Gefahr, sondern begann mit dem Eintritt in den Gefahrenbereich durch das Betreten der Fahrbahn. Die versicherte Tätigkeit des § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII ist ferner nicht auf Hilfeleistungen begrenzt, deren Unterlassen nach § 323c Strafgesetzbuch unter Strafe steht. Auch das nicht nach § 323c Strafgesetzbuch gebotene Hilfeleisten steht grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.03.2012, Aktenzeichen B 2 U 7/11 R

27.03.2012 Fahrtkostenerstattung bei Einladung durch Job-Center

Wer Arbeitslosengeld II bezieht, muss Meldeaufforderungen der Job-Center nachkommen. Diese erstatten dann auch die Fahrtkosten, allerdings meist in geringerer Höhe, als von den Betroffenen erwartet. Hierzu hat das Bayerische Landessozialgericht in einem nunmehr veröffentlichten Urteil entschieden, dass die Fahrtkosten vollständig zu ersetzen sind.

Landessozialgericht Bayern, Urteil vom 27.03.2012, Aktenzeichen L 11 AS 774/10

29.02.2012 Finanzierung von Hartz IV

Der "Aussteuerungsbetrag", den die Bundesagentur für Arbeit seit 2005 an den Bund abführen musste, sowie der ähnlich konzipierte "Eingliederungsbeitrag", der den Aussteuerungsbeitrag seit 2008 ersetzt hat,sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zu diesen Instrumenten, die Zahlungen in insgesamt zweistelliger Milliardenhöhe zum Gegenstand haben, kam es daher nicht.

Bundessozialgericht, Urteile vom 29.02.2012, Aktenzeichen B 12 KR 10/11 R sowie B 12 KR 5/10 R

28.02.2012 Anspruch auf außerschulische Lernförderung

Schüler können auch dann gegen das Jobcenter einen Anspruch auf schulische Angebote ergänzende Lernförderung haben, wenn sie zwar im Fach Deutsch die Schulnote 3 erhalten haben, im Bereich der Rechtschreibung aber nur über ein unterdurchschnittliches Leistungsvermögen verfügen.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.02.2012, Aktenzeichen L 7 AS 43/12 B ER

27.02.2012 Keine Sperre des Arbeitslosengeldes

Schließt eine schwangere Frau mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, um zum Kindsvater in eine andere Stadt zu ziehen, kann die Verhängung einer Sperrzeit bis zur Gewährung von Arbeitslosengeld am Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Arbeitsaufgabe scheitern. Auf Grund von gesundheitlichen Problemen während der Schwangerschaft mit Arbeitsunfähigkeitszeiten und der Gefahr einer Fehlgeburt ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Schwangere (auch im Interesse des ungeborenen Kindes) die Unterstützung des Kindsvaters gebraucht.

Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 27.02.2012, Aktenzeichen S 31 AL 262/08

01.02.2012 Steuererstattung mindert ALG II

Eine Einkommenssteuererstattung darf auf eine steuerfinanzierte Sozialleistung wie das Arbeitslosengeld II angerechnet werden, dieses Vorgehen verletzt nicht das Grundrecht auf Eigentum gemäß Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz. Eine Grundsicherungsempfängerin war in der Angelegenheit vor Gericht gezogen. Doch das BverfG gab ihr nicht Recht, die Richter sahen in der Anrechnung nicht einer Verminderung des als Eigentum geschützten Steuererstattungsanspruches sondern eine sich dadurch ergebende Verringerung ihres Sozialleistungsanspruches.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss aus 02.2012, Aktenzeichen 1BvR 2007/11

17.01.2012 Kein Elterngeld für inhaftierte Mutter

Während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe haben Mütter keinen Anspruch auf Elterngeld. Innerhalb einer JVA sei die Lebensführung der Inhaftierten weitgehend durch die Vorgaben der Anstaltsleitung bestimmt. Die selbständige Führung und Organisation eines eigenen Haushalts sei in diesem Rahmen nicht möglich. Auch in einer Mutter-Kind-Einrichtung hätten die Mütter letztlich keinen Einfluss auf die Regelung des zeitlichen und räumlichen Zusammenlebens mit ihrem Kind. Außerdem komme nicht die Klägerin, sondern das Jugendamt für die Versorgung des Kindes auf.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2012, Aktenzeichen L 11 EG 2761/10

23.11.2011 Doppelte Elterngeldleistung bei Zwillingen

Eltern von Zwillingen haben Anspruch auf doppelte Elterngeldleistung, da sonst eine Ungleichbehandlung gegenüber Familien, in denen während des Elterngeld-Bezugs ein weiteres Kind geboren wurde, bestünde. Der monatliche Erhöhungsbetrag für Mehrlingsgeburten fällt dann jedoch weg. Der Kläger und seine Ehefrau sind Eltern von Zwillingen Beide waren bis zur Geburt der Kinder voll erwerbstätig. Die Ehefrau des Klägers beantragte zwölf Monate Elterngeld für die Tochter, der Vater ebenfalls zwölf Monate für den Sohn. Danach wollten sie tauschen und die zwei "Partnermonate" für das jeweils andere Kind nehmen. Mehrlingsgeburten unterscheiden sich von beispielsweise einer Adoption eines weiteren Kindes kurz nach der Geburt des ersten Kindes nur durch einen kürzeren Zeitraum zwischen der Geburt beziehungsweise Aufnahme des ersten und des weiteren Kindes. Dieser Unterschied rechtfertigt gemessen am Ziel, eine Einkommensminderung durch die Betreuung des Kindes im ersten Lebensjahr zu verhindern, eine ungleiche Behandlung beider Gruppen nicht. Dem steht auch nicht § 2 Abs. 6 BEEG (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) entgegen, der für Mehrlingsgeburten einen monatlichen Zuschlag von 300 EUR vorsieht. § 2 Abs. 6 BEEG berücksichtigt die bei Mehrlingsgeburten bestehende besondere Belastung der Eltern. Sofern wie im zugrunde liegenden Fall beide Elternteile für jeweils ein Kind Elterngeld beantragen, entfällt diese mit § 2 Abs. 6 BEEG abgegoltene Mehrbelastung, so dass der Mehrlingszuschlag entgegen dem Antrag des Klägers nicht zu gewähren ist.

Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23.11.2011, Aktenzeichen L 12 EG 26/08

29.10.2011 Mündlicher Arbeitsvertrag

Weigert sich ein mündlich eingestellter Arbeitnehmer, einen abweichenden schriftlichen Arbeitsvertrag zu unterschreiben, kann hierauf keine Sperrzeit gestützt werden. Es besteht keinerlei Pflicht zur Unterzeichnung eines anderen Arbeitsvertrages. Eine solche Pflicht sei mit der Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers nicht vereinbar.

Sozialgericht Heilbronn, Gerichtsbescheid vom 29.10.2011; Aktenzeichen S 7 AL 4100/08

04.03.2011 Hartz IV: Ein Kinderzimmer für zwei kleine Kinder ausreichend

Einer Familie, die von Sozialhilfe lebt, ist es nach einer Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts in der Regel zuzumuten, dass sich zwei Kinder im Vorschulalter ein gemeinsames Kinderzimmer teilen. Auch ist ein zwölf Quadratmeter großes Zimmer für zwei Kinder dieses Alters ausreichend groß. Notfalls muss durch eine geschickte Möblierung (z.B. Stockbetten) der notwendige Platz geschaffen werden.

Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 04.03.2011, Aktenzeichen L 7 AS 753/10 B ER

25.02.2011 Private Trunkenheitsfahrt bei Berufskraftfahrer

Gegen einen Berufskraftfahrer, der wegen einer privaten Trunkenheitsfahrt seinen Führerschein und sodann durch Kündigung des Arbeitgebers auch seine Arbeitsstelle verloren hat, kann eine Sperrfrist für den Bezug des Arbeitslosengeldes angeordnet werden.

Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2011, Aktenzeichen L 8 AL 3458/10

24.02.2011 Fernseher gehört nicht zur Erstausstattung einer Wohnung

Ein Anspruch eines Langzeitarbeitslosen auf Leistungen zur Erstausstattung einer Wohnung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB II) umfasst nicht auch die Kosten für die Anschaffung eines Fernsehgeräts. Für das Bundessozialgericht gehören zur Erstausstattung einer Wohnung nur wohnraumbezogene Gegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung und ein an den üblichen Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen erforderlich sind. Hierzu zählt ein Fernsehgerät nicht.

Bundessozialgericht, Urteil vom 24.02.2011, Aktenzeichen B 14 AS 75/10 R

16.02.2011 Befreiung von gesetzlicher Krankenversicherung bei Studenten

Lässt sich ein Student zu Beginn des Studiums von der gesetzlichen Krankenversicherung befreien und versichert er sich privat, bleibt er für die Zeit des Studiums an diese Wahl gebunden. Er kann daher nicht ohne Weiteres zurück in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln. Die einmal erteilte Befreiung wirkt unwiderruflich bis zum Studienende, also auch für ein Zweitstudium.

Sozialgericht Trier, Urteil vom 16.02.2011, Aktenzeichen S 5 KR 119/10

09.02.2011 Keine Betreuung gegen den freien Willen des Betroffenen

Nach dem Gesetz darf gegen den freien Willen des Volljährigen kein Betreuer bestellt werden. Wenn der Betroffene der Einrichtung einer Betreuung nicht zustimmt, ist deswegen neben der Notwendigkeit einer Betreuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht. Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung erklärt, worauf es bei der Beurteilung des freien Willens ankommt. Für die Karlsruher Richter sind die beiden entscheidenden Kriterien dabei die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern ein natürlicher Wille vor. Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Auch der an einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Abzustellen ist jeweils auf das Krankheitsbild des Betroffenen. So vermag ein an einer Psychose Erkrankter das Wesen und die Bedeutung einer Betreuung im Detail eher zu begreifen als der an einer Demenz Leidende. Wichtig ist das Verständnis, dass ein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, der eigenständige Entscheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichen treffen kann. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.02.2011, Aktenzeichen: XII ZB 526/10.

01.01.1970 Sturz mit glatten Stoffturnschuhen

Die Bedienung eines Restaurants hat ihre Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet, wenn sie mit Stoffturnschuhen auf frisch gewischtem Boden ausrutscht, den die Arbeitgeberin nicht für die Allgemeinheit gesperrt hat. Im zugrunde liegenden Falle hatte die Geschädigte als Bedienung gearbietet. Sie stürzte auf nassem Boden im Restaurant und verletzte sich dabei so schwer, dass sie in den folgenden vier Wochen arbeitsunfähig war. Die Arbeitgeberin weigerte sich Entgeltfortzahlung zu leisten. Die Arbeitnehmerin habe den Sturz selbst verschuldet. Sie habe Stoffturnschuhe mit glatten Sohlen getragen. Schon am Vortag hätten zwei Vorgesetzte sie unabhängig voneinander darauf angesprochen, dass diese Schuhe nicht ausreichend rutschfest seien. Dennoch sei sie am nächsten Tag wieder mit diesen Schuhen zur Arbeit erschienen. Die Frau hat dies bestritten. Sie habe Lederschuhe mit rutschfester Sohle angehabt. Zu dem Unfall sei es gekommen, weil der frisch aufgewischte Boden nicht getrocknet worden sei. Es habe auch kein Warnschild auf den nassen Boden hingewiesen. Es gilt jedoch: Will der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung mit der Begründung verweigern, der Arbeitnehmer habe die Arbeitsunfähigkeit schuldhaft im Sinne des Gesetzes herbeigeführt, so trifft ihn für die Tatsachen, aus denen sich der Ausschließungsgrund ergeben soll, die Darlegungs- und Beweislast. Dies ist der Arbeitgeberin vorliegend nicht gelungen. Sie verkennt vielmehr den Verschuldensmaßstab, der für den Ausschluss des Entgeltfortzahlungsanspruchs vorauszusetzen ist. Ein im allgemeinen Sprachgebrauch als leichtsinnig bezeichnetes Verhalten erfüllt den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG jedenfalls noch nicht. Erforderlich ist vielmehr ein besonders leichtfertiges oder gar vorsätzliches Verhalten des Arbeitnehmers. Soweit die Arbeitgeberin behauptet, die Klägerin habe Stoffturnschuhe mit glatter Sohle getragen, so handelt es sich bei diesen nicht per se um ein ungeeignetes Schuhwerk. Die Richter wiesen vor allem aber darauf hin, dass sich der Gefahrenbereich in einem auch für Gäste zugänglichen Bereich des Restaurants befand. Die Arbeitgeberin musste daher jederzeit damit rechnen, dass Gäste das Restaurant mit entsprechendem Schuhwerk betreten werde. Wären die Gefahren, die mit derartigen Schuhen entstehen können, tatsächlich so naheliegend und so groß, hätte sie den Gefahrenbereich für ihre Kunden unbedingt unzugänglich halten müssen. Dass sie dies nicht getan hat, spricht dafür, dass ihre Verantwortlichen die Gefahren ebenfalls als nicht so groß eingeschätzt haben, wie dies der Vorwurf eines besonders leichtsinnigen Fehlverhaltens gegenüber der Klägerin voraussetzt.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 19.04.2013, Aktenzeichen 7 Sa 1204/11